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Sechs Fragen an Prof. Dr. Dres. h.c. Hans-Jürgen Papier

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Quelle: LMU

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Die Posdiumsdiskussion am Donnerstagabend ist so etwas wie ein Klassiker auf der Assistententagung. Vertreten auf dem Podium ist in diesem Jahr unter anderem Prof. Dr. Dres. h.c. Hans-Jürgen Papier. Auch ihn haben wir zu seinen Assoziationen zum Tagungsthema, zu Aufgaben für die junge Wissenschaft und zu der Relevanz von Interdisziplinarität in der Rechtswissenschaft und der Rolle des rechtswissenschaftlichen Bloggens befragt.

Was kommt Ihnen in den Sinn, wenn Sie an das Thema der diesjährigen Assistententagung „RECHTsFRIEDEN – FRIEDENsRECHT?“ denken? Drängen sich Ihnen Assoziationen zu aktuellen Problemen auf?

Die Leitidee ist für mich: „Nur Recht schafft Frieden“. Dies gilt für den inneren wie für den äußeren Frieden. Im Inneren geht es um das Spannungsverhältnis von Freiheit und Sicherheit, vor allem in Hinblick auf die terroristischen Bedrohungen in Deutschland. Im Hinblick auf den „äußeren Frieden“ steht der Einsatz der Bundeswehr als Mittel „rechtserhaltender Gewalt“ bei Konflikten im Ausland im Vordergrund.

Zur Wahrung des inneren Friedens muss der Staat terroristischen Bestrebungen mit den erforderlichen rechtsstaatlichen Mittel wirksam begegnen. Die Verfassung legt ihm insoweit Schutzpflichten auf, die aus den Grundrechten folgen. Dabei hat sich der Staat auf diese rechtsstaatlichen Mittel auch zu beschränken. Daran, dass er auch den Umgang mit seinen Gegnern und Feinden den allgemeinen geltenden rechtsstaatichen Grundsätzen unterwirft, zeigt sich die Kraft dieses Rechtsstaats. Mit dem Schlagwort vom „Super-Grundrecht auf Sicherheit“ wird dies in gefährlicher Weise vernebelt.

Was den Einsatz der deutschen Streitkräfte im Rahmen internationaler bewaffneter Friedensmissionen anbelagt, sind vor allem das verfassungsrechtliche Friedensgebot und das Erfordernis eines UN-Mandats zu beachten. Militärische Gewalt darf als rechtserhaltende Gewalt ausschließlich ultima ratio sein. Sie muss auf den Aufbau und die Implementierung rechtsstaatlicher Strukturen gerichtet sein. Sie muss ferner in ein friedens- und sicherheitspolitisches Gesamtkonzept eingebettet sein, und zwar unter dem Primat des Zivilen oder doch wenigstens unter gleichrangiger Gewichtung der diplomatischen, entwicklungspolitischen und polizeilichen Aufgaben. Für die politischen und verfassungsrechtlichen Verfahren der Mandatierung von Einsätzen der Bundeswehr durch den Deutschen Bundestag sollte daher erwogen werden, den militärischen Teil in eine umfassende Mandatierung einzubinden, in der die zivilen friedenspolitischen Ziele und Maßnahmen konkretisiert werden.

Welche Themen, welche methodischen Herausforderungen sollten sich die auf der Assistententagung versammelten jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Öffentlichen Rechts zuwenden?

Ein zentrales Thema sollte nach meiner Auffassung die Frage sein, ob und wie es gelingen kann, die Grundrecht des deutschen und europäischen Rechts im digitalen Zeitalter vor Obsoleszens und Ineffizienz zu bewahren, um zu verhindern, dass wir uns zu einer Überwachungsgesellschaft internationalen Ausmaßes verwandeln. Es muss mit anderen Worten verhindert werden, dass die Individualgrundrechte, vor allem die auf Schutz der menschlichen Persönlichkeit und mit ihm der der personenbezogenen Daten zu einer Idylle aus vergangenen Tagen, zu einem historischen Relikt aus der Traumfabrik des Rechts werden. Ein anderes bedeutsames Thema stellt der Schutz der parlamentarischen Demokratie nicht zuletzt im Prozess der Globalisierung und Europäisierung dar.

Interdisziplinarität ist in aller Munde. Welchen wissenschaftlichen Mehrwert weisen Sie der interdisziplinären Arbeitsweise in der Rechtswissenschaft zu bzw. gibt es überhaupt einen Mehrwert?

„Interdisziplinarität“ ist zunächst einmal ein modisches Schlagwort, das in dieser Allgemeinheit wenig hergibt. Man wird stets auf die jeweiligen Fragestellungen achten müssen. Für verfassungsrechtliche Beurteilungen dürften etwa die Disziplinen der politischen Wissenschaften, der Geschichtswissenschaft, zunehmend aber auch der Volkswirtschaftslehre äußerst hilfreich sein. Für andere juristische Bereiche, wie etwa den Bereich des Strafrechts, sind es vorwiegend sozialwissenschaftliche Erkenntnisse, die hier von großer Bedeutung sein können. Das sind hier nur wenige Beispiele, die sich selbstverständlich vermehren ließen. Mit dieser relativen Zielgenauigkeit ist die Forderung nach Interdisziplinarität rechtswissenschaftlicher Arbeit eine durchaus berechtigte Forderung.

In welchen Bereichen des Öffentlichen Rechts sehen Sie die jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler besonders berufen, sich in wissenschaftliche Debatten einzumischen?

Der Öffentlichrechtler, insbesondere der Verfassungsrechtler, sieht sich in besonderem Maße mit aktuellen politischen Vorgängen und Entwicklungen konfrontiert. Gerade der jungen Wissenschaft muss es in dieser Disziplin um die Erhaltung und Sicherung der Freiheitsrechte im digitalen Zeitalter gehen. Aber auch die Wahrung und Herstellung von Chancengleichheit der Geschlechter ist ein zentrales Thema, dem sich gerade die junge Wissenschaft des Öffentlichen Rechts annehmen sollte. Schließlich verdient das Sozialstaatsprinzip unter seinem zukunftsorientierten, intergenerativen Aspekt angesichts der demographischen Entwicklung zunehmend an Bedeutung.

Gibt es etwas, das die heutige Generation von jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern von der Ihrigen grundlegend unterscheidet?

Grundlegende Unterschiede in der Sache sehe ich an sich nicht. Die Arbeitsweise hat sich allerdings im Zeitalter der Digitalisierung erheblich verändert. Das gilt insbesondere im Hinblick auf die Erlangung und Verbreitung von Informationen und Gedanken. Diese Entwicklungen stellen die jungen Leute vor allem vor die teilweise recht schwierige Aufgabe, das Wesentliche vom Unwesentlichen zu unterscheiden.

Rechtswissenschaftliches Bloggen liegt derzeit im Trend. Wie stehen Sie zu diesem Thema: Ist das Bloggen eine Bereicherung für die Rechtswissenschaft? Welche Vor- und Nachteile sehen Sie in diesem schnellen und unmittelbaren Medium?

Die Zunahme des Informationsaustausches und der Meinungskundgaben kann grundsätzlich auch in der Rechtswissenschaft nicht schädlich sein. Insoweit wird man sicherlich von einer Förderung und Verbreiterung des wissenschaftlichen Diskurses sprechen können. Die damit einhergehende Schnelligkeit und Kurzlebigkeit von Gedanken kann aber auch zu einer Zementierung des Mainstream und zu einer Erschwerung bei der Entwicklung origineller Ideen und neuer tiefgründiger Gedanken führen. Alles in allem kann ich festhalten: Die Vertreter meiner Generation werden dieses Medium in der Regel kaum nutzen, für die jungen Leute wird es wahrscheinlich unentbehrlich werden; etwaige Nachteile sind jedenfalls nicht von solcher Relevanz, dass man vor dem Einsatz dieser Kommunikationsformen unter wissenschaftlichen Aspekten warnen müsste. Kommunikationserleichterung und Kommunikationsverbesserung sind an sich keine negativen Erscheinungen bei der Ausübung von Forschung und Lehre. Insgesamt kann es aber nur um eine Ergänzung, nicht um einen Ersatz der traditionellen wissenschaftlichen Kommunikationsform gehen.


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